„Der Fotograf, sagt Bokelberg, solle dem, den er fotografiert, eine Bühne geben, keine Anweisungen. Er hatte Uschi Obermeier in der Wohngemeinschaft mit Rainer Langhans und etlichen anderen besucht. Den Pullover auszuziehen sei ihre Idee gewesen. So leicht entstehen Ikonen, wenn man eine Bühne bietet. Wie in keinem zweiten Bild der Achtundsechziger entlädt sich darin Freude am Leben, Lust an freier Liebe und Hohn den Alten gegenüber. Dabei habe Bokelberg die Kommune gar nicht ernst nehmen können. Diese „wilde Ansammlung von Betttüchern“ habe ihm augenblicklich gezeigt, dass dort nicht Geschichte geschrieben würde. Und dann wird er einen Moment lang still. Nein, über die Achtundsechziger mag er nicht reden. Die Bewegung habe Deutschland gespalten, die Fronten verhärtet, und rückblickend könne man sie nicht betrachten, ohne den Terror hinzuzudenken. Vielleicht liegt darin der Zauber des Obermaier-Porträts: dass es noch von einem Moment Unschuld getragen scheint. Genug, sagt Bokelberg…“
Werner Bokelberg : Einer der großen Fotojournalisten Deutschlands und eine Zeitlang der am häufigsten publizierte Fotograf überhaupt. Wer in den sechziger, siebziger Jahren aufgewachsen ist, hat große Teile der Welt durch seine Augen gesehen und wurde in den eigenen Leidenschaften in nicht unerheblichem Maß durch seine Bilder sozialisiert.
Translated from the article by Freddy Langer:
FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung Saturday, October 21st, 2017